Dorfgeschichte Rossau

Tafel 09 – Stiftung Werk und
Wohnheim zur Weid

Von der Zwangsanstalt zur modernen Auffangeinrichtung

Das Bauernhaus mit Stall und Scheune „zur Weid“ wurde wie viele Häuser in Rossau Anfang des 19. Jahrhunderts gebaut.

Nachdem 1908 in Zürich die Vormundschaft eingeführt worden war, begannen die Beamten immer mehr, sogenannte „liederliche Personen“ in Heime zu versorgen. Selten schafften es die kantonalen Korrektionsanstalten diese Leute zu „bessern“. Zürich, das war klar, brauchte eine eigene, effizientere Anstalt! 1912 gelang es der Stadt Zürich, für „Männer, die infolge pathologischer Minderwertigkeit oder unheilbarer Trunksucht ständig der Fürsorge bedürfen“, in Mettmenstetten ein „hübsch arrondiertes Gut von zirka 70 Jucharten Umfang in schöner Lage“ samt Stier und 16 Kühen von der Familie Grob zu erwerben. Das Gut wurde Heinrich Grob abgekauft mit allem Drum und Dran, was damals zu einem stattlichen Bauernhof gehörte. Im Kaufvertrag sind die einzelnen Tiere und Gerätschaften aufgeführt. So kostete eine Kuh Fr. 700.00, ein 12-jähriges Pferd ebenfalls Fr. 700.00, der Hofhund Fr. 30.00 und ein Elektromotor mit einer Leistung von 6 PS Fr. 500.00.

Die 15 Plätze waren bald gefüllt, vom ehemaligen Polytechniker und Kaufmann bis zum Gelegenheitsarbeiter waren alle Berufe vertreten. Die Kräftigeren mussten in der Landwirtschaft und bei der Trockenlegung des Rifferswiler Rieds Hand anlegen, Die Schwächlicheren halfen im Haus, Garten und Schreinerei. Als Entgelt gabs etwas Sackgeld pro Woche und eine Ration Tabak. Alkohol war tabu, doch hielten sich die Männer beim sonntäglichen Ausgang schadlos.

Im Jahre 1918/1919 wurde ein grosses, neues Haupthaus mit kleinem Türmchen, wo heute noch das Glöcklein der Rossauer Kapelle aus dem 16. Jahrhundert drei Mal am Tag geläutet wird, erstellt und bereits 1919 konnte das Gebäude eingeweiht und bezogen werden.

Es war ein weiter Weg von der Zwangsanstalt zum heutigen Werk- und Wohnhaus zur Weid. Heute erhalten die Beschäftigten für ihre Arbeit eine massvolle Entschädigung pro Tag, je nach Behinderung und Leistung. Alle haben ein eigenes Bankkonto und einen eigenen Briefkasten. Überhaupt ist seit 1994, mit dem Eintritt des jetzigen Geschäftsleiters Hansruedi Sommer, fast alles anders in der Weid. Sie beherbergt sowohl Frauen wie auch Männer. Viele von den Bewohnern erwischten einen schwierigen Start ins Leben, haben oft seit Jahren Alkohol- oder andere Suchtprobleme, psychische, körperliche oder soziale Beeinträchtigungen. Nach Aufenthalten in diversen Spezialinstitutionen sollen sie hier mit der Sucht umgehen lernen. Neben einer sehr professionellen Betreuung bietet die Institution ihren Bewohnern einen geordneten Tagesablauf, Kontakt mit den vielen Tieren auf dem Hof und eine schöne Landschaft.

Das Konzept hat Erfolg. Es gibt Wartelisten für die geschützten Arbeitsplätze im Bio-Landwirtschaftsbetrieb, in der Gärtnerei und der Schreinerei, Lehren und Anlehren in der Hauswirtschaft und im Landwirtschaftsbetrieb.

2008 wurde der Stall mit Scheune neben dem Verwaltungsgebäude abgerissen und mit dem Bau eines modernen Flachdachbaus konnte man das Platzangebot erweitern und die Zweier- wurden in Einzelzimmer umgewandelt. Im September 2009 wurde das behindertengerecht konzipierte Wohnhaus, welches über 30 Einzelzimmer, verschiedene Aufenthalts- und Freizeiträume, einen Mehrzweckraum sowie eine öffentliche Cafeteria – das „Weid-Kafi“ – verfügt, eingeweiht. Mit Beschluss vom Gemeinderat der Stadt Zürich im Jahr 2013 wurde das Werk- und Wohnhaus zur Weid in Rossau auf Anfang 2014 in eine Stiftung überführt.